Beruflich neu orientieren in unsicheren Zeiten? Eher nicht, oder doch?
Ein Jobwechsel ist schon in normalen Zeiten eine Herausforderung. Eine berufliche Neuorientierung, wo es um mehr als „nur“ das Wechseln der Position oder Firma geht, umso mehr.
In diesen aktuellen Corona-Krisen-Zeiten und mit all der Ungewissheit über deren Auswirkungen in den nächsten Monaten (oder gar Jahren) auf die Wirtschaft, wird manch einer seine Ideen für einen längst überfälligen Jobwechsel, egal welcher Tragweite – verständlicherweise – erstmal Hinten an stellen. Wo viele von uns vor paar Wochen noch auf der Maslowschen Bedürfnispyramide die letzte Ebene der „Selbstverwirklichung“ im Auge hatten, geht es jetzt scheinbar wieder darum erst mal unsere Grundbedürfnisse nach genug Essen (und Klopapier) und einem sicheren Dach über dem Kopf zu erfüllen. Selbstverwirklichung scheint aktuell sehr weit weg, ja sogar ein unerhörter Luxus zu sein…
Die kollektive Ungewissheit führt dazu, dass diejenigen, die noch einen Job haben der ihre Miete zahlt und halbwegs sicher scheint, sich heute darüber glücklich schätzen. Und gerade nicht im Traum daran denken zu kündigen oder auf Jobsuche zu gehen. Ich verstehe das. Und es ist auch ziemlich gut dankbar zu sein, für alles was man hat. Das gilt nicht nur für jetzt, sondern eigentlich zu jeder Zeit.
Aber was, wenn man gerade im Aufbruch war?
Aber was, wenn man nun schon seit Monaten oder gar Jahren nicht mehr zufrieden ist in seinem aktuellen Arbeitsumfeld oder mit seiner Aufgabe? Wenn man gerade auf dem Sprung war sein Leben in die Hand nehmen zu wollen, die Fühler angefangen hatte auszustrecken? Motiviert erste Schritte gegangen ist? Und dann passiert DAS. Und bremst alles aus. Vielleicht sogar mitten im Prozess. Ist es wirklich die richtige Strategie jetzt völlig den Kopf in den Sand zu stecken und die nächsten paar Monate „erst mal abzuwarten“ (wenn man das überhaupt kann)?
Denn scheinbar steht die Welt still, viele Unternehmen haben einen temporären Einstellungsstop und einige sagen bereits eingestellten oder eingeladenen Bewerbern wieder ab. Ganze Branchen scheinen im Moment vor dem Aus zu stehen.
Das kann man in diesen Zeiten der Unsicherheit trotzdem tun…
Trotzdem wage ich zu behaupten, dass es nicht die richtige Strategie ist, einfach nichts zu tun. Man kann auch im Moment einiges tun. Und sich damit vor allem auch von allen anderen abheben, die die Jobsuche oder Neuorientierung erst mal auf unbestimmte Zeit verschoben haben. Denn irgendwann wird sich wieder eine „neue“ Normalität einstellen und die Jobsuche wird von vielen, die nun erst mal abwarten doch wieder aufgenommen. Nicht alle Jobs in allen Branchen werden leiden. Wie wäre es, sich bereits jetzt einen Vorteil zu verschaffen?
Wie genau kann das gehen?
- Fange bei dir selber an! Gerade wenn nun viele Freizeitbeschäftigungen flach fallen, lässt dies mehr Zeit für eine Innenschau. Wo man früher schnell mal ein paar Bewerbungen rausgehauen hat, ist es heute von noch größerer Bedeutung sich der eigenen Stärken, Talente, Werte ganz bewusst zu sein bevor man den nächsten Schritt geht. Das ist grundsätzlich immer der bessere Weg, aber wir gehen gerne die Abkürzung, weil uns das oft zu langwierig erscheint in unserem vollen Alltag (und landen dann in Jobs, die wieder nicht zu uns passen…). Gerade wenn es gefühlt erstmal weniger verfügbare Jobs gibt, dann müssen wir uns aber noch bewusster darüber werden, wie wir einen echten Mehrwert stiften können. Wer bist du? Was kannst du? Was willst du? Was treibt dich an? Wofür brennst du wirklich? Und wem kannst du damit helfen? Mache deine Hausaufgaben. Und mache sie gründlich. Nutze die erzwungene Auszeit dazu, dich mal wirklich mit dir selber auseinander zu setzen. Kostet Überwindung, aber lohnt sich für immer und ewig.
- Fange an dich besser zu vernetzen. Es ist an der Zeit, sich die Fähigkeit anzueignen, virtuell zu networken. Momentan sind viele Kalender weniger voll als normalerweise und ein kleines Gespräch manchmal sogar willkommen. Was heißt das konkret? Nutze die sozialen Medien und Plattformen wie Xing und LinkedIn. Schau, dass dein Profil ansprechend und aktuell ist. Und wenn dich eine Firma besonders interessiert (die hoffentlich auch die Krise gesund übersteht), kannst du recht einfach nach Kollegen in dem von dir angestrebten Bereich suchen. Du kannst ihnen eine kurze Nachricht hinterlassen, in der du freundlich und unaufdringlich erklärst, dass du ihre Company sehr spannend findest, überlegst ob das vielleicht in Zukunft ein möglicher interessanter Arbeitgeber sein könnte und einfach mal fragen wolltest ob sie 10-15 Minuten für einen kurzen Austausch haben. Das klappt nicht immer, aber immerhin in 15-20% aller Ansprachen. Und es hilft dir immens, zum einen wirklich etwas über das Unternehmen zu erfahren und im besten Fall einen positiven Eindruck zu hinterlassen. So kannst du bereits heute „Samen für die Zukunft sähen“, denn viele Positionen werden eher über Beziehungen als Jobbörsen vergeben. Es gibt auch viele andere Möglichkeiten sich online zu vernetzten. Über Online-Kongresse zum Beispiel. Online Netzwerke. Oder einfach auch das Kommentieren von Inhalten anderer Experten. Natürlich kannst du eigene relevante Inhalte erstellen. Oder Hilfe anbieten bei bestimmten Themen, die du gut beherrscht. Die Möglichkeiten sind hier vielfältig. Und virtuelles Netzwerken ist besonders auch für sonst eher introvertierte Menschen eine super Sache!
- Wo wir schon bei der Online-Welt sind: Nutze die Möglichkeiten die sich dir online momentan bieten. Es passiert gerade so viel (mir manchmal fast zu viel) und davon kannst du profitieren. Auch hierzu musst du natürlich erstmal wissen, in welchen Bereich oder welches Thema du tiefer einsteigen möchtest um dich nicht zu verzetteln (siehe Punkt 1). Generell gilt aber:
- Lerne und baue neue Skills auf. Wenn du weißt, was du gerne lernen möchtest ist der Zeitpunkt gerade ideal. Egal ob einen Kurs auf Udemy oder anderen Plattformen. Eine Online-Ausbildung. Oder das lesen von Blogs und Ebooks. Da ist soviel Wissen im Netz und es wird immer mehr und vieles wird sogar jetzt kostenlos angeboten. Nutze es und stelle dich besser auf mit neuen Skills.
- Arbeite an deinen eigenen Ideen. Vielleicht wolltest du schon immer einen Blog starten. Eine Website bauen. Ein eigenes Ebook schreiben. Eine App programmieren. Anderen einen bestimmten Service anbieten. Bevor du startest schau nochmal was gerade und in naher Zukunft wirklich benötigt werden könnte. Viele Bereiche unseres Lebens sind gerade betroffenen, in denen innovative neue Lösungen gebraucht werden könnten. Wo kannst du helfen? Was wird gebraucht? Und dann mach dich ans Werk und starte am besten ziemlich schnell kleine Testballons um zu sehen wie deine Ideen ankommen.
Und ansonsten: Vielleicht merkst du in diesen Zeiten und mit deiner Selbstanalyse auch, dass dein Job so schlimm gar nicht so ist und es nur ein paar Punkte gibt, die du angehen solltest. Vielleicht ist z.B. das erzwungene Home Office etwas, was dir bereits sehr viel mehr Freiraum gibt, den du vorher vermisst hast? Oder du bist erleichtert weil du nicht mehr pendeln musst? Oder du merkst umgekehrt, dass du deine Kollegen doch sehr vermisst. Oft haben wir viel mehr Gestaltungsspielraum als wir glauben. Aber auch hier hilft nur: Erstmal ehrlich mit sich selber sein. Was fehlt mir und was brauche ich um zufriedener zu werden? Und dann kannst du einen Plan schmieden, wie du die Punkte nach und nach angehen kannst.
Falls du Schwierigkeiten hast dies alles alleine umzusetzen, dann suche dir Hilfe dabei. Gerade der erste Punkt auf der Liste, die Selbstanalyse, ist gar nicht immer so einfach wie es klingt, aber so immens wichtig. Ich biete Life Design & Career Coachings an, alleine oder in der Gruppe (aktuell alles online, für einen neuen Gruppenkurs habe ich aktuell noch ein paar Plätze frei). Du findest mich und mein Angebot hier. Die ersten 30 Minuten Gespräch schenke ich dir, melde dich bitte wenn du Hilfe gebrauchen kannst 🙂
In diesem Sinne: Eine berufliche Neuorientierung ist ein Prozess, den man jederzeit starten kann. Und auch eine Krise wie diese kann man dazu gut nutzen. Zeigt uns nicht diese Zeit auch, wie vergänglich alles ist? Wie wenig „Sicherheit“ es am Ende gibt? Und bringt sie nicht vielleicht auch hervor, was uns wirklich wichtig ist und was wir nicht länger aufschieben wollen und können?
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Diese Linkliste fand ich zu dem Thema ziemlich informativ: https://www.lvq.de/karriere-blog/artikel/jobsuche/jobsuche-corona-hilfreiche-linkliste.html
Mein Lieblingskarriere-Blog (englisch), mit einem tollen Podcast auch zu den aktuellen Themen (aus dem ich einige Anregungen übernommen habe) https://www.happentoyourcareer.com/podcast/